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22. Oktober 2014

Gut besuchter Lese- und Musikabend: Dotschy Reinhardt las und sang

Einen gutbesuchten Abend erlebte das Theater im Depot beim Lese- und Musikabend mit Dotschy Reinhardt. Die circa 120 Gäste bekamen ein abwechslungsreiches Programm geboten, in welchem sie in einer Fragerunde an die Autorin auch selbst Raum bekamen, um sich einzubringen.

Nein, nicht jeder Sinto und Rom ist musikalisch und isst gerne Schnitzel pikant gewürzt mit Paprika. Dass diese und andere Fakten keinen Grund darstellen, mit überholten Klischees und Ressentiments über die größte Minderheit Europas zu brechen, machte die Autorin Dotschy Reinhardt im ersten Teil des Programms deutlich. Anekdotenhaft las sie Auszüge aus ihrem aktuellen Buch „Everybody’s Gypsy – Popkultur zwischen Ausgrenzung und Respekt“ und berichtete von Diskriminierungserfahrungen im Alltag und räumte mit immer noch in weiten Teilen der Gesellschaft vorhandenen Vorurteilen auf.

Da ist z.B. die Geschichte aus einer Berliner Kneipe, als sich ein völlig entrüsteter Gast von seinen Verklärungen über „romantische Zigeunerfrauen“ enttäuscht sieht und sagt: „Du bist gar keine Zigeunerin! Icke bin ´n Zigeuner!“. Ähnlich erging es auch dem deutschen Romantiker Clemens von Brentano, als er in Böhmen mit dort lebenden Roma in Kontakt kommt und sie kurzerhand in einem Brief an die Gebrüder Grimm alle an den Galgen wünscht. Auch über die Ursprünge dieses romantisierenden Bildes im kulturellen Erbe Deutschlands weiß die Autorin zu berichten: So trug Johann Wolfgang Goethe, der in seinem Werk 28 Mal über Sinti und Roma schreibt, stark zu diesem Bild bei. Allein: er selbst hat sich im beschaulichen Weimar nie die Mühe gemacht, Sinti oder Roma kennen zu lernen, sondern bezog sich selbst auf ältere Literatur. Und nach ihm viele andere Autoren auf das von ihm gezeichnete Bild vom „Zigeuner“.

Ebenso hält der Fakt, dass Sinti und Roma - seit mittlerweile 600 Jahren regional im heutigen Deutschland verwurzelt – eher regionale Küche bevorzugen, den Lebensmittelkonzern Unilever nicht davon ab, seine Fertigmischungen für pikante Gerichte mit Paprika Zigeunersauce, Zigeunerschnitzel usw. zu nennen. In einer Stellungnahme gegenüber Dotschy Reinhardt heißt es lediglich: Diese Namen hätten eine lange Tradition in der Hausmannskost und auf deutschen Speisekarten. Dass es auch anders geht, zeigt ein anderer Lebensmittelkonzern, der seine Produkte nun konsequent nach dem benennt, was auch enthalten ist: Pikante Sauce.

Auch aus der Migrationsgeschichte der Sinti und Roma berichtete die Autorin. Aufgebrochen im Punjab, dem Land der fünf Flüsse auf dem indischen Subkontinent, wanderten Angehörige verschiedener Stämme Richtung Westen und erreichten vor rund 900 Jahren Europa. In ihren Ankunftsregionen entwickelte sich die vom Sanskrit abstammende Sprache dann eigenständig zu den heute existierenden Romanes-Dialekten weiter. Den antiziganistisch geprägten Ansichten in der Linguistik, dass Romanes eine „abartige Form des Sanskrits“, gesprochen von Angehörigen der unteren Kasten sei, widersprach die Autorin.

In der anschließenden Diskussion stellte Dotschy Reinhardt klar, dass sie zu der ersten Generation von Sinti gehört, die offen über antiziganistische Diskriminierung reden würden. Dazu gehört auch die Marginalisierung durch die Mehrheitsgesellschaft, welche es ist, die dazu beiträgt, dass Wohnwagen im Wald abgestellt werden müssten und nicht der „Spaß am Reisen“.
Ebenfalls wurde die Diskussion um diskriminierende Begriffe in der Literatur aufgegriffen, einem Thema, zu dem es auch an diesem Abend verschiedene Positionen gab.

Außerdem wurde der Zusammenhang von antisemitischen und antiziganistischen Ressentiments und der damit zusammenhängenden Verfolgung beider Gruppen im NS herausgestellt. Der Frage nach einem Staat, der nach dem Vorbild Israels als selbsterklärter Schutzraum für alle Menschen jüdischen Glaubens, als Schutzraum gegen Antiziganismus, erklärte Dotschy Reinhardt jedoch eine Absage. Wichtiger als ein Staat für Sinti und Roma ist die breite Akzeptanz und Integration als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft, eine Forderung, die jedoch noch weit von der Einlösung entfernt scheint.

Im zweiten Teil des Abends führte die Musikerin Dotschy Reinhardt zusammen mit ihrem international besetzten Ensemble die Gäste durch die musikalische Darbietung. Es wurden Interpretationen bekannter Songs wie „Down Here To The Ground“ von Grant Green und selbstgeschriebenen Werken aus ihren Alben „Sprinkled Eyes“ und „Suni“ aufgeführt. In Englisch und Romanes ermutigten die Texte zur Selbstbehauptung und zum Empowerment gegenüber Diskriminierung. Auch Stücke von Django Reinhardt kamen nicht zu kurz, so dass der Eine oder die Andere Besucherin mit einem Ohrwurm nach Hause ging. Das gut aufgelegte Trio sorgte mit diesen heiteren Stücken von Gypsy-Swing bis Impro-Jazz für einen gelungenen Abschluss des Abends.

Die Veranstaltung wurde organisiert und durchgeführt vom Planerladen e.V. in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW, Auslandsgesellschaft NRW e.V., AWO Unterbezirk Dortmund, bodo e.V.  und VMDO e.V.