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9. Mai 2025

39. Bürgerforum Nord trifft Süd - Allein – Einsam - Gemeinsam

Soziale Isolation und krank machende Stille statt Auszeit und Entschleunigung: so sieht Einsamkeit in der Realität aus. Ein lange Zeit blinder und schambehafteter Fleck, der mittlerweile von immer mehr Personen, Initiativen und Projekten entdeckt wird. Sie verfolgen unterschiedliche Ansätze, haben jedoch eins gemeinsam: das Ziel, Begegnungen zu fördern, Menschen aus Komfortzonen oder gar der sozialen Isolation zu holen und das Thema Einsamkeit enttabuisieren. Am 07. Mai stellten geladene Gäste ihr Engagement beim 39. Bürgerforum Nord trifft Süd in der Auslandsgesellschaft vor.

Dass Neuzugezogene es zunächst schwerer haben, in einer neuen Umgebung anzukommen und Freund*innenschaften zu schließen, diese Erfahrung machten Renata und Nuria am eigenen Leib. Schnell begriffen sie, dass sie damit nicht alleine sind und so entstand die Idee, einen Raum von und für Frauen zu schaffen, der die Möglichkeit bietet sich kennenzulernen. So entstand im November 2024 mit GirlsDOgether ein Projekt, das von Einsamkeit betroffene Frauen und auch solche, die einfach Interesse haben, andere kennenzulernen aus Komfortzonen rausholen möchte. Was klein mit bis zu zehn Teilnehmerinnen begann hat sich schnell zu einem beliebten Projekt entwickelt. Zwei bis drei Dutzend Teilnehmerinnen besuchen die mittlerweile ein- bis zweimal die Woche stattfindenden Events wie gemeinsamen Spaziergängen, Cafébesuchen oder Workshops. Dadurch, dass jede alleine kommt sei die Hemmschwelle zur Teilnahme besonders niedrig, was dafür sorgt, dass das Projekt so erfolgreich ist. Damit die Hemmschwelle niedrig und die Idee, neue Freundinnenschaften zu schließen gewahrt bleibt haben die beiden Gründerinnen ein Konzept entwickelt, mit dem sie die Teilnehmerinnen matchen und mischen. Abschließend wünscht sich Renata einen offeneren Umgang mit dem Thema Einsamkeit, denn ihr Eindruck ist, dass dieses weiterhin schambehaftet ist und mit Schwäche in Verbindung gebracht wird.

Gürsel Çapanoglu vom VMDO e.V. stellte anschließend die beiden Projekte KULSA – Kultursensible Seniorenarbeit und Café Via – Café Vielfalt im Alter vor. Zielgruppe dieser Projekte sind ältere Migrant*innen der ersten Zuwanderungsgeneration. Altersarmut, Sprachbarrieren und fehlende interkulturelle Begegnungsorte sorgen mit dafür, dass gerade diese Bevölkerungsgruppe vermehrt von Einsamkeit und sozialer Isolation betroffen ist. Beide Projekte reagieren hierauf und organisieren Senior*innentreffs sowie verschiedene, niedrigschwellige Aktivitäten in den Muttersprachen der Teilnehmer*innen, welche sehr gut angenommen werden. Tanzen, Yoga oder kleinere Ausflüge helfen dabei, die soziale Integration zu fördern und Menschen aus ihrer Einsamkeit zu befreien. Doch auch wenn Zielgruppe dieser Projekte Migrant*innen sind soll trotzdem der Austausch zwischen Senior*innen mit und ohne Migrationshintergrund gefördert und Begegnungsorte geschaffen werden, wie z.B. durch Leseabende im Wilhelm-Hansmann-Haus. Frau Çapanoglu sieht zwar Erfolge und findet, dass die Problematik der Einsamkeit im Alter mittlerweile vermehrt bei Entscheidungsträger*innen angekommen ist, aber appelliert an die Stadt, dass mehr in diesem Bereich geschehen muss. Dass weiterhin Mangel herrscht zeigt sich in ihren Projekten konkret daran, dass sich die Suche nach Räumlichkeiten als schwierig gestaltet und die Stadt hierbei helfen könnte. Kritik übt sie jedoch auch an Migrantenselbstorganisationen, deren Angebote sich vermehrt an Jugendliche und weniger an Senior*innen richten.

Anahita Lotfi und Pourya Solizadeh stellten gemeinsam den Sportverein SPARRINGFORYOU und dessen Projekt „Du bist nicht alleine“ vor. Sport dient dem Verein als Anknüpfungspunkt, um Inklusion, Gemeinschaft und Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung, Jung und Alt zu fördern. Auf diese Art werden nicht nur Vorurteile abgebaut, sondern auch Möglichkeiten geschaffen, aus einer Einsamkeit auszubrechen. Förderlich hierfür ist, dass der Verein sich nicht als reiner Kampfsportverein versteht, sondern auch weitere Aktivitäten organisiert. Kinoabende, Ausflüge, gemeinsames kochen und backen – im Mittelpunkt steht die Gemeinschaft und nicht der Boxring. Einen herkömmlichen Boxring besitzt der Verein ohnehin nicht, denn er ließ sich für das Projekt einen eigenen anfertigen. Dessen hochschiebbare Seile ermöglicht es im Rollstuhl sitzenden Menschen problemlos in den Ring zu steigen und mitzutrainieren. Dass die Angebote des Vereins gut angenommen werden zeigt sich daran, dass regelmäßig über 50 Menschen in der kleinen Turnhalle der Lessinggrundschule trainieren. Zuletzt organisierte der Verein sogar eine inklusive NRW-Meisterschaft mit annähernd 4.000 Besucher*innen. Trotz dieser Erfolge betont Anahita Lotfi, dass sie keine Musterlösung hat, um Einsamkeit zu besiegen, denn das Rausholen aus der Einsamkeit ist ein langwieriger Prozess der viel Zeit benötigt.

Das Mütterzentrum Dortmund, vertreten durch Nicole Siegmann, geht mit dem Projekt „Eulen und Lerchen“ das Problem der Einsamkeit an. Das Projekt besteht seit dem Beginn der Coronapandemie 2020 und wurde durch zwei Dortmunder Krankenhäuser angestoßen, als es sich für diese schwierig gestaltete, Dienstpläne zu gestalten. Sie gingen auf das Mütterzentrum zu, das nun in diesem Projekt Ehrenamtliche, zumeist Senior*innen, ausbildet, um die Betreuung von Kindern Alleinerziehender zu übernehmen. Auf diese Art erfüllt das Projekt mehrere Funktionen: Eltern wird so die berufliche Teilhabe ermöglicht und die Ehrenamtlichen erfahren Anerkennung und Wertschätzung, so Nicole Siegmann.

Die Gruppen mit ihren Projekten, die Wortbeiträge aus dem Publikum sowie die lebhafte Diskussion zeigten, dass sich die Gesellschaft stärker dem Problem Einsamkeit bewusst wird. Veränderungen wie z.B. die Förderung von Begegnungen in barrierearmen, inklusiven und kultursensiblen Orten mit attraktiven Angeboten muss weiter erfolgen, um Menschen aus ihrer Komfortzone zu holen, statt sie zu vergessen.

 

 

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Hintergrund:

Das „Bürgerforum Nord trifft Süd“ ist eine Veranstaltungsreihe des Projekts INKLUDO 2.0 (Inklusion von Drittstaatsangehörigen in Dortmund) der Planerladen gGmbH in Zusammenarbeit mit der Auslandsgesellschaft und mit freundlicher Unterstützung von MIA-DO Kommunales Integrationszentrum Dortmund. Das Projekt INKLUDO 2.0 wird aus Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der EU kofinanziert.