Vom hellen Licht des Engagements wie auch den langen Schatten alltäglicher Diskriminierung berichteten die Teilnehmenden des Bürgerforums Nord trifft Süd am 29.11.2023 in der Auslandsgesellschaft. Geladen hatten die Planerladen gGmbH und die Auslandsgesellschaft.de e.V. Vertreter*innen unterschiedlichster Dortmunder Integrations- und Migrant*innenvereine, um über Ihre Erfahrungen und den Stand der Willkommenskultur in der Stadt zu sprechen.
Das Positive vorweg: Gerade die Krisen scheinen das Beste aus den Dortmunder*innen hervorzuholen. Die Welle der Aufnahme- und Hilfsbereitschaft, wie etwa zum Ausbruch des Kriegs in der Ukraine, war beachtlich und brachte verschiedenste Menschen zusammen. Gerade von den ersten Wochen des Kriegs zeichneten Ivanka Moskaliuk und Nina Benko-Denninghaus vom Deutsch-Ukrainischen Stammtisch der Auslandsgesellschaft ein eindrucksvolles Bild. Beide engagieren sich seit Anfang 2022 ehrenamtlich in der Geflüchtetenhilfe, waren von den Ereignissen auch persönlich bzw. familiär betroffen.
Auch das Engagement der Stadt Dortmund fand zunächst nur lobende Anerkennung. Man werde mittlerweile mit seinen Anliegen auch als nicht-deutscher Verein oder Gruppe gehört, es gebe entsprechende Förderungen - mit der Einschränkung, dass es längst nicht genug seien. „Mehr wäre natürlich besser!“, diesem Plädoyer von Ana-Maria Preduca von Romano Than konnte sich das Podium sofort anschließen. Auch die Fachstellen, zuständig etwa für Kultur oder Integration, würden sehr konstruktiv mit den Organisationen zusammenarbeiten. Dass etwa das Roma-Festival DjelemDjelem und das Tamilische Straßenfest am U, zu denen jeweils tausende Besucher*innen kommen, mittlerweile fest im städtischen Kalender verankert sind, mache stolz. „Wenn wir unsere Traditionen und Feste zeigen und sie mit anderen Menschen feiern können, dann ist das für uns eine wirkliche Befreiung. Das ist Willkommenskultur!“, so Vimalasegaran Shabesan vom Verein tamilischer Künstler.
Erst im Verlauf des Abends rückten auch die Schattenseiten des Zusammenlebens zunehmend in den Fokus. Anfeindung und Ausgrenzung seien weiterhin Alltag für Menschen, die nicht ins Schema passten, sei es an Schulen oder in der Öffentlichkeit. Erst kürzlich habe eine EU-Studie erneut gezeigt, dass sich Schwarze Menschen in Deutschland europaweit am stärksten diskriminiert fühlten. Dies berichtete Tina Adomako vom Verein Kamerunischer Ingenieur*innen und Informatiker*innen und wies dabei auf ihr interkulturelles Schreibprojekt hin. Leider hätten bisher jedoch weiße Deutsche und People of Color kein Interesse daran gezeigt, wodurch die Schwarzen Jugendlichen unter sich blieben, obwohl gerade der Austausch so wichtig sei.
Es brauche eben mehr als Ehrenamtliche und Kulturförderung. Um die Weltoffenheit einer Gesellschaft abzulesen, müsse man sich doch nur in Politik oder Verwaltung umsehen: „Wie viele Behörden und wie viele Ämter sind denn migrantisch besetzt?“, warf Fatma Karacakurtoglu von Train of Hope e.V. in die Runde und erntete Zustimmung. Als vermeintlicher Ausländer müsse man immer „eine Schippe drauf legen“, um dasselbe zu erreichen. Dies sind auch die Erfahrungen des jungen Vereins Bunt in Dortmund. Der stellvertretende Vorsitzende Abdelsalam Ghazalin ergänzte, dass er den Erwartungen vieler Deutscher nicht gerecht werden könne: „Ich bin nun mal Palästinenser in Deutschland. So sehr ich mich auch anstrenge und integriere, ich werde Palästinenser bleiben.“
Je länger der Abend wurde, umso mehr rückten die Begriffe Identität, Anerkennung und Respekt in den Mittelpunkt, so dass man ahnen konnte, dass sich unter dem edlen Gewand der „Willkommenskultur“ möglicherweise die eigentlichen Problemzonen verbergen.
Die nächsten Termine und Themen der Reihe Bürgerforum Nord trifft Süd in 2024 werden im Frühjahr bekannt gegeben.
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Hintergrund:
Das „Bürgerforum Nord trifft Süd“ ist eine Veranstaltungsreihe der Planerladen gGmbH in Zusammenarbeit mit der Auslandsgesellschaft und mit freundlicher Unterstützung von MIA-DO Kommunales Integrationszentrum Dortmund. Das Projekt wird aus Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der EU kofinanziert.